Du hast über den Zusammenhang zwischen Finanzen und HR gesprochen. Oft wird dein Name auch mit dem Begriff „Kongruenz“ in Verbindung gebracht. Was bedeutet das für dich?
Ja, das sagt mir durchaus etwas – zum Glück. Ich selbst benutze eher das Wort „Kohärenz“ als „Kongruenz“, obwohl ich glaube, dass der Unterschied nicht riesig ist. Vielleicht ist „Kongruenz“ sogar noch etwas ganzheitlicher.
Aber in meiner Herangehensweise geht es genau darum: Alle Entscheidungen, die wir treffen, sollten mit dem übereinstimmen, was wir wollen – mit unserem Ideal. Mit dem, was wir uns für das Unternehmen wünschen, mit der Vision, die wir für es haben.
Ich könnte zig Beispiele nennen, aber aktuell habe ich gerade eine neue Mission übernommen. Und ich glaube zu wissen, wohin sie sich entwickeln soll. Also wird zum Beispiel jede Neueinstellung im Hinblick auf diesen Zielzustand getroffen, den ich im Kopf habe. Auch die Art der Rekrutierung: Die Teams einbeziehen, transparent vorgehen, gemeinsam über eine Charta nachdenken … All das gehört zum Projekt. Und für mich ist genau diese Kohärenz entscheidend. Extrem wichtig.
Denn ohne Kohärenz gibt es kein Vertrauen.
Vertrauen durch Kohärenz
Meine Mutter war Kommunikationsdozentin und sie hat mir – und ich spüre das auch selbst sehr stark – immer gesagt: Wenn das Gesagte und das Körpersprachliche nicht übereinstimmen, dann stimmt etwas nicht. Man spürt eine Dissonanz. Und automatisch stellt man sich Fragen, wird misstrauisch. Man vertraut weniger. Weil die Person in dem Moment nicht ganz bei sich ist.
Und bei Unternehmen ist es genauso. Kohärent zu handeln heißt auch, die eigenen Schwächen zu akzeptieren. Zu wissen, wer man ist – mit allen Stärken und Grenzen. Diese Kohärenz ist die Grundlage für eine starke Arbeitgebermarke.
Man weiß, worauf man sich einlässt. Wenn man zum Beispiel bei N-Side einsteigt, weiß man: Es wird anspruchsvoll, es wird viel zu tun geben. Aber man weiß auch: Es wird Spaß machen, man wird enorm viel lernen. Und man weiß: Das ist nicht für jede*n geeignet. Das verhindert Fehlentscheidungen beim Recruiting – niemand sagt hinterher: „Dafür habe ich nicht unterschrieben.“ Man weiß einfach, worauf man sich einlässt.
Und diese Kohärenz steht überhaupt nicht im Widerspruch zur Robustheit. Ganz im Gegenteil. Für mich gehört Vielfalt zur Robustheit dazu. Es gibt eine gemeinsame Vision, aber innerhalb dieser Vision holen wir gezielt Menschen rein, die anders denken, die uns ergänzen.
Das macht ein Unternehmen stärker, resilienter. Denn jede*r bringt seine eigenen Stärken mit – und die sind mit der Vision im Einklang. Keine widersprüchlichen Anforderungen, kein innerer Konflikt. Weniger Unwohlsein. Du weißt, wo du arbeitest und was dich erwartet. Und das trägt für mich ganz wesentlich zur Gesamtleistung des Unternehmens bei.
Du hast über das Vertrauen gesprochen, das durch Kohärenz entsteht. Und du selbst spielst ja als Führungskraft eine große Rolle dabei, dieses Vertrauen zu stiften. Hast du Tipps, wie das gelingt?
Wenn du sagst „Vertrauen als Führungskraft“, meinst du dann, dass die Leute mir vertrauen oder dass ich selbst Vertrauen in meine Vision habe?
Beides, natürlich. Aber ich meinte gerade eher das Letztere – also das Vertrauen in die eigene Vision, sie zu leben und ins Team zu tragen.
Ah, ja. Interessanter Punkt – vielleicht hast du gerade die Antwort schon selbst gegeben: Um Vertrauen in die eigene Vision zu haben, braucht es erstmal eine ordentliche Portion Selbstvertrauen.
Und ich bin eigentlich jemand, der viel zweifelt. Deshalb sind iterative Prozesse für mich extrem wichtig. Und auch, sich mit den richtigen Menschen zu umgeben.
Ich glaube, es gibt mehrere Schritte hin zu einem Selbstvertrauen, das „ausreichend ausreichend“ ist – um sagen zu können: „Okay, ich bin mir nicht hundert Prozent sicher, aber es reicht, um loszugehen und andere mitzunehmen.“
Wie kommt man dahin? Erstmal: sich selbst kennen. Das ist die Basis. Die eigenen blinden Flecken kennen. Sich mit sich selbst beschäftigen.
Ich finde, jede*r sollte mal zur Therapie gehen – auch ohne akutes Problem. Oder wenigstens zum Coaching. Sich Fragen stellen: Was treibt mich an? Was sind meine Ängste? Meine Stärken, meine Schwächen?
Ich bin extrovertiert. Ich bin „gelb“ in den Insights-Farben. Aber ich bin CFO, weil ich Zahlen liebe, weil ich das Bedürfnis nach Integrität habe. Aber ich bin schlecht in Dokumentation. Ich mag das nicht, ich bin nicht besonders ordentlich.
Und das ist okay.
Wichtig ist nur: nicht so tun, als wäre man jemand, der man nicht ist. Und wenn etwas gebraucht wird, was man selbst nicht gut kann – dann holt man sich jemanden, der genau das gern macht.
Als ich bei FedEx war, hatte ich ein gesamteuropäisches Team. Ich bin frankophon, ich spreche gut Englisch, aber ich habe einen Akzent – und das wird sich nie ändern. Es ist nicht meine Stärke. Also war mein rechter Arm ein Engländer. Weil ich wusste: Diese Ergänzung brauche ich.
Diese Demut ist extrem wichtig. Und gleichzeitig wertschätzt du damit die Menschen, mit denen du arbeitest. Du gibst ihnen Bedeutung. Und das baut Vertrauen auf.
Das Vertrauen, ersetzbar zu sein
Ich liebe diese Idee von geteiltem Vertrauen. Und du hast mal gesagt, du seist eine bessere Führungskraft geworden, als du dir gesagt hast: „Ich muss ersetzbar werden.“
Ja, genau. Ich habe gerade N-Side verlassen und diesen Ausstieg ein Jahr lang vorbereitet. Ich habe mein Team so aufgebaut, dass ich ersetzbar bin. Und ehrlich gesagt: Ich glaube, ich war nie eine bessere Führungskraft als seit diesem Gedanken.
Und weißt du, was ich gemerkt habe? Ich war immer dann die bessere Managerin, wenn ich selbst nicht die Expertin war.
Das klingt erst mal kontraintuitiv. Aber wenn du etwas nicht weißt, gibst du keine Antworten. Du stellst Fragen. Du bringst die Leute zum Nachdenken. Und das lässt sie viel mehr wachsen.
Ich kenne mich null mit IT aus. Aber ich habe IT-Teams geleitet. Und ich konnte trotzdem fragen: „Warum macht ihr das so?“ Ohne selbst coden zu können. Einfach durch gute Fragen.
Aber das erfordert eben auch Selbstvertrauen. Die Bereitschaft, nicht alles zu wissen. Nicht alles zu kontrollieren. Anderen Raum zu geben.
Wir kommen langsam zum Ende dieser Folge. Was wären drei konkrete Dinge, die deiner Meinung nach positive Wirkung erzeugen?
Sich selbst kennen. Zum Coach gehen, über das eigene Denken reflektieren, über das, was einen antreibt – und was einen blockiert. Und verstehen, dass sich das verändert. Unsere Prioritäten verändern sich mit dem Leben. Deshalb muss man diese Arbeit regelmäßig wiederholen.
Sich gut umgeben. Und zwar nicht nur mit Menschen, die „besser sind als man selbst“, wie Steve Jobs gesagt hat. Sondern mit Menschen, die uns ergänzen. Die uns herausfordern. Dafür muss man seine Rekrutierungs-Bias überwinden. Nicht immer Menschen einstellen, die einem ähneln.
Großzügig sein. In der Art, wie man anderen begegnet. Geben, ohne direkt etwas zurückzuerwarten. Ich mache viel Pro-Bono-Arbeit – weil es mich erfüllt. Wenn es jemandem hilft: wunderbar.
Zum Abschluss, Maud – welches Lied bringt dich ins Handeln?
Hm … vielleicht ist es gar kein Song, der mich in Bewegung bringt, sondern eher einer, der mich zur Ruhe bringt. Der mir hilft, bei mir zu sein. Feel Good von Charlotte Cardin – ich glaube, sie heißt so … ja, Charlotte Cardin.
Mein Freund hasst dieses Lied – er meint, das ist weichgespülter Kram – aber ich liebe es. Es gibt mir einfach ein gutes Gefühl. Und ich glaube, genau in diesem Zustand bin ich am wirkungsvollsten. Das ist doch ein schöner Schluss, oder?
Wenn ich entspannt bin, geerdet – dann habe ich meist den größten Impact. Und diese Musik bringt mich genau dorthin.